Vom Vorwurf der Vergewaltigung frei sprach das Amtsgericht Bad Säckingen am Montag einen 35-jähriger Mann. Ein Verfahren gegen ihn wegen Körperverletzung wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Es sei nicht mehr zu klären, was sich tastsächlich ereignet habe, so Amtsrichterin Stefanie Hauser. Anzeige wegen Vergewaltigung hatte eine heute 22-jährige Frau erstattet – nicht zum ersten Mal. Bereits vier Mal hatte sie sich wegen einer angeblicher Vergewaltigung durch weitere Männer an die Behörden gewandt. Zu einer Verurteilung war es aber nie gekommen.

Der Vorwurf: Der Mann soll die damals 18-Jährige missbraucht haben

Der Angeklagte soll 2021 in Bad Säckingen in der Wohnung seines Bekannten die damals 18-Jährige gegen deren erkennbaren Willen missbraucht und ihre Freundin geohrfeigt haben. Ermittlungen wegen Vorwürfen der Freundin, auch sie sei vom Angeklagten an diesem Tag vergewaltigt worden, waren bereits im Vorfeld des Verfahrens eingestellt worden.

Zweifel an den Aussagen der Frauen schon am ersten Verhandlungstag

Schon am ersten Verhandlungstag zeigten sich erhebliche Erinnerungslücken und Widersprüche in den Aussagen beider Frauen. Zeugenaussagen einer Ermittlerin der Kriminalpolizei Lörrach wie auch das Gutachten eines Aussagepsychologen am zweiten Verhandlungstag verstärkten die Zweifel am Wahrheitsgehalt der Anschuldigungen.

Der Flur zum großen Sitzungssaal im Amtsgericht Bad Säckingen.
Der Flur zum großen Sitzungssaal im Amtsgericht Bad Säckingen. | Bild: Alexander Jaser

Im Mittelpunkt des aussagepsychologischen Gutachtens stand die Frage der vom Gutachter bejahten Aussagefähigkeit des Opfers. Auf der Grundlage mehrerer persönlicher Gespräche, der Ermittlungsakten und der Darlegungen beider Frauen vor Gericht gelangte er zu dem Urteil, „dass die Qualität ihrer Aussagen nicht geeignet sei, einen Erlebnisbezug anzunehmen“. Zwar betonte der Psychologe ausdrücklich, dass die Aussagen des vorgeblichen oder tatsächlichen Opfers bei den polizeilichen Ermittlungen und vor Gericht nicht gelogen sein müssten, „doch seien sie nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit erlebnisrelevant“.

Die Lebensgeschichte der jungen Frau ist von schweren Erschütterungen geprägt

Jenseits des Strafverfahrens zeichnete sich vor dem Amtsgericht die Lebensgeschichte einer jungen Frau ab, die von schweren Einschnitten und Erschütterungen geprägt ist. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung und Richterin blendeten diese nicht aus, sondern gaben dieser jenseits der rechtlichen Bewertung Raum und Gewicht. Die Verfahrensbeteiligten wollten im Strafverfahren nicht nur dem Angeklagten Gerechtigkeit widerfahren lassen, sondern auch den traurigen Lebensumständen der jungen Frau gerecht werden.

Die Frau hat bereits vier andere Vergewaltigungen angezeigt

Es waren schließlich nicht nur die eklatanten Widersprüche in den Aussagen beider Frauen, sondern weitere Tatsachen, die das Gericht zu seinem Urteil bewogen. So konnte die polizeiliche Ermittlung der Tatumstände keine Hinweise auf eine Vergewaltigung durch den mittlerweile in Thüringen lebenden Mann erbringen. Zudem hatte die Frau bereits in vier vorangegangen Fällen Taten mit ähnlichem Ablauf zur Anzeige gebracht – ein Nachweis konnte jedoch in keinem der Fälle geführt werden. Auch mündeten die polizeilichen Ermittlungen in keine belastbaren Hinweise auf eine Vergewaltigung.

Hat die Frau das Ausgesagte zu einem früheren Zeitpunkt erlebt?

Auch für Staatsanwalt Tobias Scherm „ließ sich der angeklagte Sachverhalt in der Hauptverhandlung nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit erweisen.“ Zwar gehe er nicht davon aus, „dass das Opfer bewusst gelogen oder Falschaussagen gemacht hat“. Doch sei nicht aufzuklären, was geschehen sei. Daher müsse er einen Freispruch beantragen. Ein Antrag, dem auch Verteidiger Waldemar Efimow folgte. Dabei verschloss er sich ausdrücklich nicht den schweren Lebensumständen der heute 22-jährigen Altenpflegerin. Diese habe die von ihr geschilderten Ereignisse an diesem Abend zwar nicht erlebt, „vielleicht aber an einem früheren Abend“.

Warum spricht das Gericht den Angeklagten frei?

Auch Richterin am Amtsgericht Stefanie Hauser nahm in ihrem Urteil Bezug auf die schwere Vorgeschichte der jungen Frau und führte aus: „Wir haben keine Feststellung darüber getroffen, dass sie bewusst gelogen hat. Dies festzuhalten, ist dem Gericht wichtig. Doch was im Verlauf des Tatabends geschah, darüber sieht sich das Gericht nicht in der Lage, gesicherte Feststellungen zu treffen. Das Gericht muss aber gesicherte Feststellungen darüber treffen können, was hinter einer geschlossenen Türe geschehen ist.“ Da trotz umfangreicher Ermittlungen vieles fraglich sei, stehe hier Aussage gegen Aussage und der Angeklagt sei freizusprechen.